Being queer
Die queere Psychoanalyse unterscheidet sich von der klassischen im Allgemeinen in diversen Punkten. Schließlich wird der Psychoanalyse ein eher binäres Denken bei diversen Themen nachgesagt. Psychoanalytiker:innen müssen sich vor allem im Umgang mit queeren Personen bewusst sein, dass die Herangehensweise an bestimmte Themen eine andere ist. Themen wie Diskriminierung, psychosoziale Entwicklung, Beziehungen mit Freund:innen, Elternpersonen und vor allem mit sich selbst, erfordern ein spezielles Wissen von Therapeut:innen über beispielsweise Themen wie Übertragung und Gegenübertragung, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Queere Personen sind sich selbst gegenüber sehr bewusst und reflektiert. Diese Reflexion ist mit speziellen Themen verbunden, die sehr sensibel bearbeitet werden müssen. Wichtig in der Arbeit sind beispielsweise das Wissen und Verständnis über Suizidgedanken und die Entwicklung des Narzissmus. So wirken queere Personen oft im ersten Moment eher abweisend oder unnahbar. Dies liegt aber oft daran, dass eine gewisse Schutzmauer über die eigene Comfort zone aufgebaut wurde. Dies wird oft falsch interpretiert.
Die Arbeit mit queeren Personen erfordert von Psychotherapeut:innen ein Verständnis auf einer sehr sensiblen Ebene, vor allem auch im Umgang mit Themen, die Patient:innen mitbringen. Dieses tiefe Verständnis kann, meiner Meinung nach, nicht erlernt werden, sondern sollte vielmehr in Therapeut:innen verankert sein. Aus meiner Arbeit mit queeren Patient:innen weiß ich, dass anfangs oft das Vertrauen "getestet" wird und Themen zuerst subtil angesprochen werden, um Reaktionen von Psychotherapeut:innen zu beobachten. Meiner Meinung nach ist hierbei eine klassische abstinente Haltung der Psychoanalytiker:innen sehr kontraproduktiv, denn queere Menschen haben aufgrund ihrer Erfahrung einen sehr sensiblen Radar über Reaktionen, Haltungen, Körpersprache etc.
Das Thema safe space ist bei queeren Patient:innen sehr zentral und mehr von Bedeutung für ein erfolgreiches Arbeiten. Es geht um Vorurteilsfreiheit, Schutz und Sensibilität. Vor allem aber auch um das Gefühl, sich sicher mit den eigenen Themen fühlen zu können. Dazu zählen nicht nur die richtigen Pronomen, welche die Person verwendet, sondern auch der Gedanke an das binäre gesellschaftliche und diskriminierende Denken, welches sich sehr belastend auf die Community auswirkt. Dieses Denken muss nicht zwangsweise immer bewusst sein, sondern kann auch unbewusst, durch beispielsweise die transgenerationale Weitergabe bestimmt sein.
Diverse psychoanalytische Theorien müssen dabei von uns Psychoanalytiker:innen adaptiert werden, sowohl im Denken als auch in der Anwendung. Dahinter stehe ich zu 100 Prozent. Jede Geschichte ist individuell und somit muss auch die Therapie individuell sein.