Being queer

Die queere Psychoanalyse unterscheidet sich in vielem von ihrer klassischen Ausprägung. Der traditionellen Theorie wird oft ein binäres, normierendes Denken nachgesagt. Ein Denken, das queere Lebensrealitäten nicht erfassen kann. Für mich als queeren Psychoanalytiker ist klar: In der Arbeit mit queeren Patient:innen braucht es ein anderes Verständnis. Eine andere Sprache. Und eine andere Beziehung.

Diskriminierung, psychosexuelle Entwicklung, Beziehungserfahrungen mit Elternpersonen, Freund:innen oder mit sich selbst – all das sind Themen, die in queeren Biografien häufig auftauchen. Sie bringen oft eine hohe Sensibilität mit sich. Viele meiner Patient:innen sind sehr reflektiert, nicht selten deshalb, weil sie früh gelernt haben, sich selbst zu hinterfragen. Diese Reflexion ist nicht theoretisch. Sie ist existenziell. Und sie verdient eine Psychotherapie, die weder pathologisiert noch vereinfacht.

Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, wie subtil und tief sich Zuschreibungen, Mikroaggressionen oder Unsichtbarmachung ins Erleben einschreiben können. Und ich weiß, wie wertvoll ein Raum ist, in dem diese Erfahrungen einfach sein dürfen. Ohne Erklärungspflicht. Ohne Urteil. - EIN SAFE SPACE

Queere Patient:innen bringen oft eine besondere Sensibilität für Stimmungen, Haltungen und implizite Botschaften mit. Sie beobachten genau – Körpersprache, Sprache, Haltung. Vertrauen wird nicht vorausgesetzt, sondern wird tastend erprobt. In diesen Prozessen ist eine klassische, distanzierte Abstinenz oft hinderlich. Ich halte es für notwendig, in der therapeutischen Beziehung präsent zu sein, nicht übergriffig, aber spürbar.

Ein sicherer Raum entsteht nicht durch Absicht allein. Er entsteht durch Haltung, durch sprachliche Sensibilität, durch Offenheit. Es geht um selbstverständliche Pronomenverwendung, aber auch um die Auseinandersetzung mit internalisierten Normen – gesellschaftlich wie therapeutisch. Manches davon wirkt unbewusst weiter, zum Beispiel durch transgenerationale Weitergabe von Scham, Schweigen oder Anpassung.

Für mich ist klar: "Die Psychoanalytische Theorie darf und muss sich verändern. Nicht im Sinne von Vereinfachung, sondern im Sinne von Öffnung. Ich bringe mein Wissen, meine Erfahrung – aber auch meine eigene Geschichte mit in die Arbeit ein. Denn ich bin überzeugt: Jede Geschichte verdient ihren Raum. Und jede Therapie muss diesem Raum gerecht werden."